Ein besonderes Kurban

Kashfa Malik

„Allah hat vorgeschrieben, sich allem gegenüber wohlwollend zu verhalten. Wenn ihr also tötet, dann tötet gut, und wenn ihr schlachtet, dann schlachtet gut. Und (wenn ihr schlachtet) schärft euer Messer und quält nicht das Schlachttier.”

Die Barmherzigkeit und Güte des Islam erstrecken sich über die gesamte lebende Schöpfung Allahs. So ermahnte der Prophet Muhammad (saw) bereits damals die Menschen zu einem guten Umgang mit ihren Mitmenschen und ihren Mitgeschöpfen, den Tieren. Es heißt im Koran: „Und (auch) das Vieh hat Er erschaffen. An ihm habt ihr Wärme und (allerlei anderen) Nutzen; und davon eßt ihr.“ (16:5). Die Erlaubnis, Nutztiere zu halten, sie als Mittel zum Transport zu nutzen und einige Arten zu verzehren, geht mit der Verantwortung einher, sie mit Liebe und Güte zu behandeln und sie vor Schmerzen und Leiden zu schützen.

Dies gilt auch für die islamische Schächtung mit ihren Richtlinien, die darauf ausgerichtet sind, den Prozess des Schächtens für die Tiere möglichst schnell, stress- und schmerzfrei zu gestalten. So soll dem Tier vor der Schächtung Wasser und Grünfutter gegeben werden, um Angstgefühle zu vermeiden. Auch soll wie im Hadith bereits erwähnt wurde, die Klinge geschärft werden, damit die Schächtung in einem Anlauf, schnell und mit möglichst wenig Schmerzen ablaufen kann. Zudem soll die Klinge nicht im Blickfeld des Tieres geschärft werden. Als der Prophet (saw) einen Mann sah, der ein Schaf auf die Seite legte, während er sein Messer schärfte, sagte er (saw): „Willst du es zweimal töten? Warum hast du dein Messer nicht geschärft, bevor du es auf die Seite legtest?“ Um den psychischen Stress der Tiere zu vermeiden, soll das zu schächtende Tier außer Reichweite der anderen Tiere gebracht werden, sodass sie weder deren Schächtung noch die Häutung und Zerteilung wahrnehmen. Auch soll kein Tier an der gleichen Stelle geschächtet werden, an der ein anderes Tier zuvor geschächtet wurde und das Blut sichtbar ist. Während der Schächtung soll die entsprechende Absicht gefasst werden und beim Durchschneiden der Kehle bismillah und Allahu akbar gesprochen werden.  

Anhand der Konditionen für die Schächtung eines Tieres vor dem eigentlichen Schnitt wird ersichtlich, wie viel Wert der Islam auf das Tierwohl legt und bemüht ist, eine möglichst angenehme Atmosphäre für das Tier zu schaffen. Die dargelegten Richtlinien sind, wie viele andere Bereiche im Islam, wissenschaftlich gestützt. Primär geht es um die Barmherzigkeit und Güte gegenüber den Tieren. Doch zeigen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse weitere Vorzüge der islamischen Schächtung auf. Laut eines wissenschaftlichen Artikels aus dem Journal Meat Science (2016) soll der Entzug von Nahrung für mindestens 24 Stunden zum Gewichtsverlust des Tiers führen und sich der Wasserentzug negativ auf die Qualität des Fleischs auswirken. Dem kann durch die Verabreichung des Tiers mit Wasser und Grünfutter entgegengewirkt werden. Außerdem soll ein sehr scharfes Messer die Schmerzen des Tiers reduzieren. Dass das Tier die Schärfung der Klinge und die Schächtung anderer Tiere nicht mit ansehen sollte, wird durch einen weiteren Artikel aus dem Journal Applied Animal Husbandry & Rural Development (2012) bestärkt. Angstzustände sollen zur Ausschüttung von Stresshormonen führen, welche wiederum die Fleischqualität negativ beeinflussen. 

Bei der islamischen Schächtung stirbt das Tier durch einen Kehlschnitt, der die Halsarterien, Speise- sowie Luftröhre durchtrennt. Es kommt zu einem Blutsturz. Dadurch soll das Tier sein Bewusstsein binnen Sekunden verlieren (ebd. 2016). Ein wissenschaftlicher Artikel aus dem International Journal of Social Policy and Society Volume (2015) zeigt die Wichtigkeit der Blutung auf. Das Ziel soll sein, das Tier so schnell wie möglich vollständig ausbluten zu lassen und die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn zu unterbinden. Das Blut ist ein Mittel für Keimwachstum. Unzureichende Blutung, die in anderen Schlachtungsarten vorkommen kann, führt zu Rückständen von Blut im Fleisch. Dies kann die Vermehrung von Keimen und damit die Übertragung von Krankheiten hervorrufen. Außerdem würden Blutrückstände im Fleisch zum Verderb von Fleisch während des Kochens und der Aufbewahrung im Kühl- und Gefrierschrank führen. Bei der Schächtung wird der Hals nur zum Teil durchschnitten – das Rückenmark bleibt unversehrt. Auch dies bringt aus wissenschaftlicher Sicht Vorteile mit sich. Bei der Enthauptung von Vögeln beispielweise wurde festgestellt, dass dieser Schnitt das Nervensystem durchtrennt, was einen Erstickungstod und generell eine längere Zeit bis zum Tod zur Folge hatte. Folglich führt das Auslassen des Rückenmarks, wie es in der islamischen Schächtung vorgesehen ist, zu einer verkürzten Zeit bis zum Eintreten des Todes. 

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Die islamischen Richtlinien der Schächtung erlauben einen möglichst schmerzfreien Ablauf. Ein guter Umgang sollte jedoch nicht nur bei der Schächtung der Fall sein, sondern auch generell gilt es unsere Mitgeschöpfe zu respektieren und gut mit ihnen umzugehen. Empathie, Liebe und Güte, die man Lebewesen entgegenbringt, sind ein Mittel, die Güte Allahs zu erlangen. So heißt es in einer Überlieferung:  

Abū Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: „Während ein Mann unterwegs war, spürte er starken Durst. Er kletterte in einen Wasserbrunnen hinab und trank daraus. Als er wieder draußen war, sah er einen Hund, dessen Zunge heraushing und vor starkem Durst den Sand fraß. Der Mann sagte zu sich: „Der Hund wurde vom starken Durst genauso befallen wie ich.“ Er füllte dann seinen Schuh mit Wasser, hielt diesen mit seinem Mund fest, kletterte hinauf und tränkte den Hund damit. Da dankte ihm Allah dafür und vergab ihm (seine Sünden).“ Die Leute sagten: „O Gesandter Allahs, erhalten wir auch einen Lohn (von Allah) wegen der Tiere?“ Der Prophet erwiderte: „Wegen jedem Lebewesen gibt es Lohn!“     (Hadith aus Sahih al-Buchari) 

Der Prophet (saw) setzte sich bereits damals für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren ein. So untersagte er (saw) die Tötung von Tieren, außer für den Zweck der Fleischgewinnung oder in Notwehr. Ash-Shafii, Ahmad, An-Nisai und Ibn Habban überliefern, dass Amr Ibn Ash-Shurid berichtete: 

„Ich hörte Ash-Shurid sagen: „Ich hörte den Gesandten Allahs, Segen und Frieden Allahs seien mit ihm, sagen, dass wenn ein Vogel sinnlos getötet wird, so wird dieser am Tag des Jüngsten Gerichts zu Allah kommen und seine Stimme erheben, um sich zu beschweren: Oh Herr, der So-und-so hat mich sinnlos und ohne Nutzen getötet.““ 

Zudem missbilligte der Prophet (saw), Tiere zur Unterhaltung gegeneinander kämpfen zu lassen und er (saw) verbot Tiere als Zielscheibe zu benutzen für Schießübungen. Es heißt in einer Überlieferung: 

Sa’id Ibn Dschubair berichtete: „Ich war bei Ibn ‚Umar und dort gingen wir an einigen Jugendlichen vorbei, die ein gefesseltes Huhn hinstellten, um auf dieses zu zielen. Als sie Ibn ‚Umar sahen, verschwanden sie von der Stelle. Ibn ‚Umar sagte: „Wer hat das getan? Wahrlich, der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, verfluchte denjenigen, der so etwas tut:“(Sahih al-Buchari) 

Der Gesandte Allahs (saw) verurteilte das Schlagen und das Brandmarken von Tieren im Gesicht. Sie dürfen nicht überlastet werden und sie müssen versorgt werden, obgleich sie gealtert sind oder erkrankt sind und sie somit keinen Nutzen bringen. Einmal kam der Prophet (saw) an einem vor Hunger abgemagerten Kamel vorbei und sagte: 

„Fürchtet Allah vor (Misshandlung) der stummen (die sich ja nicht uns Menschen gegenüber äußern können) Tiere. Reitet sie, wenn sie gesund sind, esst sie, wenn sie gesund sind.“ (Abu Daud) 

Die im Hadith genannte Misshandlung von Tieren ist noch immer allgegenwärtig, vor allen Dingen in Anbetracht der vorherrschenden Massentierhaltung. Der deutsche Tierschutzbund definiert die Massentierhaltung als eine Tierhaltung, die wirtschaftlich orientiert ist und durch eine hohe Besatzdichte und Mechanisierung gekennzeichnet ist. Damit die Produktionskosten in solchen Betrieben minimal gehalten werden können, würden Haltungssysteme wie Käfige, Anbindehaltungen, kleine Buchten und Ställe ohne Tageslicht eingesetzt werden. Diese schränkten die Tiere in ihrer Bewegung ein und behinderten arteigenes Verhalten wie beispielsweise das Sozialverhalten. Dies führe zu Ängstlichkeit, Aggressivität, Kannibalismus und zu einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten, der durch einen hohen Einsatz von Medikamenten entgegengewirkt würde. Damit die Tiere sich gegenseitig nicht verletzen, würden ihnen bestimmte Körperteile gekürzt, wie z.B. den Rindern die Hörner oder den Legehennen die Schnäbel.

Es liegt in der Verantwortung der Menschen, das Wohlbefinden ihrer Nutztiere zu schützen und ihnen nicht grundlos Schmerzen zuzufügen. Die hervorragende Bedeutung der Güte und Barmherzigkeit gegenüber der ganzen Schöpfung Gottes widerspricht der Massentierhaltung. Güte lässt ein Leben auf engstem Raum, genmanipuliertes Essen und generell eine artwidrige Haltung nicht zu. Helle und luftige Ställe, ausreichend Auslauf, Nahrung, die der Natur der Tiere entspricht, und generell eine der eigenen Art entsprechende Umgebung sollten die Regel und nicht die Ausnahme sein, denn Allah hat vorgeschrieben, sich allem gegenüber wohlwollend zu verhalten.

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