Im Koran heißt es vom Menschen, wenn er vierzig Jahre erreicht hat, er sagt: Mein Herr, erteile mir, daß ich Deine Wohltat danke, mit der Du mir wohlgetan hast und meinen beiden Eltern, und daß ich Rechtschaffenes tue, das Dir wohlgefällt, und gib mir Rechtschaffenheit in meiner Nachkommenschaft, ich kehre reuig um zu Dir, und ich bin einer von den friedenmachend Ergebenen (d.i. Muslimen, 46:15).
Als Reaktion auf das Leiden, weltweit hervorgerufen durch Kriege, Naturkatastrophen und strukturelle Not und sichtbar geworden durch die große Hungersnot in Ostafrika 1984, gründeten in Deutschland ansässige Muslime unterschiedlicher Nationalität nach einigen Vorarbeiten am 5. April 1985 das Hilfswerk muslimehelfen e.V. (mh). Sie legten damit den Grundstein für die erste organisierte muslimische Hilfsarbeit von deutschem Boden aus. Zweierlei war dabei wesentlich und miteinander verbunden – das konkrete Helfen und der Gottesbezug.
Die erste Hilfsmaßnahme war eine Medikamentensammlung für notleidende Menschen im kriegsgeplagten Afghanistan. Seither sind vier Jahrzehnte vergangen, und es hat sich viel verändert, von der Fortentwicklung der Kommunikation und Medien über die welt- und innenpolitischen Verhältnisse bis hin zum Klima. Optimisten, die eine Verbesserung erwarteten, sind enttäuscht. Selbst die erst im Jahr 2000 festgelegten „Millennium-Entwicklungsziele“ der Vereinten Nationen wurden weitgehend, wenn nicht überhaupt, verfehlt. Insbesondere die weltweite Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen sinkt nicht, sondern steigt immer mehr, allein von 2023 auf 2024 um 5 Prozent auf über 122 Millionen Menschen. Ebenso kommt es zu mehr klimabedingten Naturkatastrophen, die vor allem den ohnehin Armen ihre Lebensgrundlagen zerstören.
Während all dieser Zeit setzte muslimehelfen sich ein „für bedürftige Menschen vor allem in Notstandsgebieten, bei Krieg, Hungersnot und Naturkatastrophen sowie für anderweitig unschuldig in Not geratene Menschen…“, wie es schon von Anfang an in der Satzung hieß.
Über die großen Katastrophen wie etwa Erdbeben, Überschwemmungen oder Dürre, aber auch Kriege, die sich immer wieder ereignen, berichten die Medien und machen damit auf die Notwendigkeit aufmerksam, den Betroffenen zu helfen. Doch daneben gibt es unzählige kleine Katastrophen, von denen man hierzulande nie etwas erfährt. Wenn beispielsweise in Kambodscha, wo viele Häuser aus Holz gebaut sind und nicht selten noch auf offenem Feuer gekocht wird, ein solches Haus niederbrennt, werden oft auch noch die nahebeigelegenen Häuser von den Flammen erreicht. Der Verlust und die daraus folgende Not für die Betroffenen sind ebenso schlimm wie die Nöte der Opfer von großen Katastrophen. Nur wenn man vielleicht Verbindungen in derart abgelegene Gegenden hat, wird man benachrichtigt und kann dann möglicherweise Menschen in Not Beistand leisten. muslimehelfen wurde in den vergangenen Jahren immer wieder auch um Hilfe bei kleinen Katastrophen gebeten und konnte sie leisten, al-hamdu li-llah.
muslimehelfen begann seine Arbeit als ein sehr kleiner Kreis von „Ehrenamtlichen“, die alles Erforderliche von zuhause aus erledigten und die damit verbundenen Kosten trugen. Die weitere Entwicklung machte schrittweise eine Professionalisierung erforderlich. Sowohl der wachsende Umfang der Spenden als auch die Umsetzung der Hilfsprojekte waren allein von den freiwilligen Mitwirkenden nicht mehr zu bewältigen. Nach etwa fünf Jahren erfolgte erstmals die Einstellung einer unterstützenden Teilzeitkraft und 1993 infolge des Bosnienkriegs erstmals einer Vollzeitkraft. Heute hat muslimehelfen ein Büro mit drei kleinen Abteilungen, überwiegend mit Schwestern als Teilzeitbeschäftigten, die sich um die Bereiche Projekte, Spenden und Verwaltung kümmern.
An die Stelle der Gründer und anfänglichen Helfer sind längst ihre Nachfolger getreten. Doch trotz mancher Veränderungen ist muslimehelfen ein Gemeinschaftswerk von Muslimen in Deutschland geblieben, das in den vergangenen 40 Jahren allein durch Allahs Hilfe und nur mit der Unterstützung der Spender seine zahlreichen Projekte verwirklichen konnte. Sie hier alle auch nur aufzuzählen, geschweige denn zu schildern, ist nicht möglich. Angefangen mit der Medikamentensammlung von 1985 waren es bald um ein halbes Dutzend im Jahr, dann zunehmend mehr, und schließlich über Hundert jährlich. Allein im vergangenen Jahrzehnt waren es nach Angabe auf der muslimehelfen-Internetseite über 1300. Insgesamt müssen es Zehntausende von Bedürftigen gewesen sein, denen die Hilfsmaßnahmen zugutekamen.
Zu Beginn informierte muslimehelfen über die Projekte durch Berichte in der Zeitschrift „Al-Islam“. Später kamen gelegentliche muslimehelfen-Infoblätter hinzu, im März 2000 die erste Ausgabe der „muslimehelfen-zeitung“, und dann mit der Internetseite „www.muslimehelfen.org“ und den „Social media“ sowie „Youtube“ Informationsmöglichkeiten, die es zur Gründungszeit von muslimehelfen noch gar nicht gab.
Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Arten von Projekten herausgebildet. Die Hilfsmaßnahmen von muslimehelfen sind teils durch den Jahresablauf oder durch besondere Umstände bedingt. Vom Jahresablauf bedingt sind die alljährlichen Ramadan-Projekte, die Kurban-Projekte, Festgeschenke für bedürftige Kinder und die Winterhilfe. Umständehalber bedingte Projekte sind Not- und Katastrophenhilfe, Flüchtlingshilfe, Waisenhilfe, Gesundheitsfürsorge und medizinische Hilfe, Behinderten- insbesondere Blindenhilfe, Bildungsförderung und Berufsausbildung sowie Existenzgründungsforderung.
Allen Projekten gemeinsam ist aber, daß es dabei allein um die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen geht. Dies unterscheidet muslimehelfen von vielen anderen sogenannten Nichtregierungsorganisationen, die humanitäre Hilfe oftmals mit weiteren Interessen verbinden. muslimehelfen führt Hilfsmaßnahmen durch, wo Hilfsbedürftigkeit besteht, wo die Verhältnisse vor Ort eine sinnvolle und effektive Hilfeleistung erlauben, wo die Hilfsmaßnahmen allein den Hilfsbedürftigen zugutekommen und die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Die Projekte erfolgen stets in Zusammenarbeit mit einheimischen Partnern vor Ort. Auslandsbüros und die damit verbundenen Kosten werden so vermieden. Auch längerfristig angelegte Projekte gehen in die Verantwortung der Partner über, selbst wenn muslimehelfen bei Bedarf weiter unterstützt.
Über die ersten zehn Jahre berichtete das muslimehelfen-Infoblatt zum Ramadan 1996, nachstehend gekürzt, wie folgt:
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
Im Dezember 1994 hatte der erste Tschetschenienkrieg begonnen, der Bosnienkrieg endete im Dezember 1995, und die enge Zusammenarbeit mit Muslim Aid lief nach einiger Zeit aus. Ein zusammenfassender Blick auf die Projekte im zweiten Jahrzehnt erschien in der muslimehelfen-zeitung 3/2005, nachstehend nur stark gekürzt wiedergegeben:
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Mittlerweile waren die Projekte im dritten Jahrzehnt so zahlreich geworden, daß später in der muslimehelfen-zeitschrift nur noch über die verschiedenen Kategorien berichtet wurde. Unter der Überschrift „Sorgen nehmen, Hoffnung geben“ war zu lesen: Seit 30 Jahren leistet muslimehelfen humanitäre Hilfe. Immer bemüht durch die Hilfsprojekte in die Zukunft der Begünstigten zu investieren. Natürlich sind kurzfristige Hilfen wie im Ramadan oder zu Kurban wichtig. Noch wichtiger ist die Nachhaltigkeit der Projekte, das bedeutet eine langandauernde Wirkung der Spenden. Schon jetzt laufen Projekte erfolgreich, die vor vielen Jahren begonnen wurden. Diese entwickeln sich so gut, dass sie den Bedürftigen langfristig nutzen.
Die Bildungsprojekte von muslimehelfen dienen besonders den Kindern, aber auch jungen Erwachsenen. Oft fehlt ihnen Zugang zu Bildung. Erst Ende 2014 hat zum Beispiel das Dorf Vranjt Gujras in Albanien seine erste Grundschule errichten können. Gani H. lebt in dem Dorf und sagt dazu: „Wenn eine Schule gebaut wird, ist das nicht nur für einen Moment gut, das ist wichtig für die Zukunft.“
Hierbei geht es um die Verteilung von Lebensmitteln. Neben dieser kurzzeitigen Hilfe wird auch nachhaltig geholfen. Wie 2014 in Uganda, wo 80% der Einwohner von der Landwirtschaft leben. Den Bedürftigsten im Bezirk Mpogo wurden 10kg Saatgut und 3 Hacken ausgegeben. Bauer Mukite A. aus Kadua, Sironko fasst zusammen: „Das wird unsere landwirtschaftliche Arbeit vereinfachen. Wir haben Hacken und Saatgut erhalten und das hat unseren Lebensstandard verbessert.“
Kranken und Verletzten, die sich keinen Arztbesuch leisten können, wird geholfen. Auch Krankenhäuser und mobile Kliniken werden ausgerüstet, um Hilfe langfristig gewährleisten zu können. Das Tawfiq Hospital in Kenia ist eines davon. Es hat drei Inkubatoren erhalten. Frühgeborene, wie der 1200 g leichte Ali, konnten mit den Geräten behandelt werden. Seine Mutter Rukia sagt: „Ich bin Euch so dankbar, dass ihr dem Tawfiq Hospital die Geräte gespendet habt.“
Hilfsbedürftigen soll die Möglichkeit gegeben werden aus eigener Kraft und auf erlaubte Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Berufsbildungszentrum in Ruanda ist ein gutes Beispiel dafür. Jugendliche erhalten hier eine Ausbildung, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. So sieht das auch Herr Ayoub, der Projektmanager: „Dieses Projekt bietet eine Lösung.“
Diese Projekte fördern ausschließlich alleinstehende und alleinerziehende Frauen. Sie sollen sich und ihre Familien langfristig selbst versorgen. Das funktioniert bei der Frauen-Kooperative aus Ruanda schon gut. Die Endprodukte, die sie mit den gespendeten Maismühlen herstellen, verkaufen sie und erwirtschaften so ihren Lebensunterhalt. Erst kürzlich wurde das Projekt durch den Bau eines neuen Maismehllagers erweitert. „Es ist so eine Freude,“ sagt die 43-jährige Murekezi T., Mitglied der Nyagatare Vision Cooperative, „Möge Allah euch belohnen.“
In Kambodscha haben 150 Familien zwischen Mai 2014 und Mai 2015 einen Mikrokredit erhalten. Natürlich zinslos. Einzelhändler wie die Schneiderin Kei A. aus Phnom Penh konnten so ihre Geschäfte festigen und erweitern. „Ich habe mich so über den Mikrokredit gefreut, weil er ohne Zinsen ist und ich ihn Schritt für Schritt zurückzahlen kann“, berichtet sie.
Waisen erhalten neben den anderen Projekten noch eine zusätzliche Hilfe. Dazu gehören Verpflegung, medizinische Versorgung und Bildung. Ihre selbst bedürftigen Verwandten sind für jede Hilfe dankbar. So wie Yasmeen, die Tante des Waisenjungen Musharaf aus Indien: „Einige meiner Lasten haben sich durch diese Ausbildungshilfe von muslimehelfen verringert. Jetzt habe ich Hoffnung, dass er eine gute Ausbildung haben wird und sein Traum, Arzt zu werden, sich erfüllen wird“.
Durch einen eigenen Notfallfonds kann muslimehelfen bei Katastrophen und Notständen unmittelbar und gezielt Hilfe leisten. So konnten nach der schweren Flut in Kaschmir dort zügig neue Unterkünfte gebaut werden. Witwen, wie der 62-jährigen Jana Begum, wurde geholfen: „Mein Haus wurde zerstört. Ich hatte keinen Ort zum Leben. Durch die Gnade Gottes haben mir einige gute Leute ein Häuschen gebaut. Sie werden dafür belohnt.“ Inschallah.
In schwerzugänglichen Gebieten wird armen Gemeinden zum Jahreswechsel geholfen, wie dem Kindergarten in Rozaje, einer Stadt in Montenegro.
Die 52 Kleinkinder dort haben seit 2014 eine Heizung. Eltern wie Mersiha G. sind nun beruhigt: „Als Mutter bin ich besonders für die Heizung dankbar, weil ich mich jetzt nicht mehr sorgen muss, dass mein Kind sich dort erkältet.“ (muslimehelfen 3. Ausgabe 2015)
Diese Darstellung übergeht leider viele für muslimehelfen wichtige Projekte aus dem dritten Jahrzehnt, auf die einzugehen hier indes auch hier der Platz fehlt. Nur als Beispiele seien erwähnt Projekt Olivenbaum Gaza 2007-2009, Erdbebennothilfe Pakistan 2007-2009, Zweites Waisenhaus Bau Sri Lanka 2007/8, Waisenschule Bau Burundi 2009/10, Waisenschule Bau Garut/Indonesien 2010/11, Blindenzentrum Togo 2010, Klinik Bau Haiti 2012, Berufsbildungszentrum Bau Ruanda 2012, Blindenzentrum Bau Togo 2013.
Von mancherlei Widrigkeiten abgesehen, die nicht allein muslimehelfen betrafen, brachte das vierte Jahrzehnt (2015-2024) der Arbeit von muslimehelfen, zwei besondere Schwierigkeiten, die zu bewältigen waren. Einerseits machten personelle Veränderungen die Einarbeitung jüngerer Mitarbeiter, im Übrigen meist Schwestern, notwendig. Andererseits verursachten die coronabedingten Einschränkungen 2020-2023 veränderte Arbeitsweisen, vermehrten den Bedarf an Hilfsmaßnahmen aber erschwerten zugleich deren Umsetzung vor Ort und schränkten auch den persönlichen Kontakt mit den Partnern ein.
Zudem konnte muslimehelfen sich als freies, von Regierungen, Parteien und anderen Interessen unabhängiges muslimisches Hilfswerk wie schon in der Vergangenheit nicht überall betätigen, wo es notwendig und wünschenswert war. Dennoch gelang es mit Allahs Hilfe neben den üblichen Ramadan-, Kurban- und Winterhilfeprojekten weiterhin zahlreiche Hilfsmaßnahmen umzusetzen, darunter 2015 für Flüchtlinge aus Syrien in Serbien, Bosnien und im Libanon sowie für Flüchtlinge von der Krim in der Ukraine, Berufsvorbereitungszentrum Bau Indien 2016-2019, seit 2017 Unterstützung für Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar in Bangladesch, Indien und Nepal, Erweiterung der Waisenschule Burundi 2017, Krankenhauserweiterung Malindi/Kenia 2018, Waisenhilfen u.a. in Burundi, Indien, Simbabwe 2019, Betrieb des Blindenzentrums in Kadambara/Togo, zahlreiche Corona-Nothilfen in Ländern Afrikas und Asiens 2020-2021, Kleinbauernhilfe in Simbabwe 2023 und viele andere. Für die Begünstigten sind sie allesamt erfreulich, besonders bemerkenswert ist vielleicht eines der Solarprojekte 2024:
Auf den Flachdächern der beiden von muslimehelfen 2005 und 2008 erbauten Waisenhäuser in Kinniya/Sri Lanka wurden 2024 Solarmodule installiert. Die Anlagen versorgen nun die Waisenhäuser mit ihrem eigenen Elektrizitätsbedarf, und überschüssiger Strom kann in das öffentliche Netz gehen. Die Einsparungen einerseits und Einnahmen andererseits erleichtern inschallah den Betrieb beider Waisenhäuser, ein schönes Beispiel für „sadaqa dscharija“ – eine fortwährende gute Tat.
Nun ist muslimehelfen also 40 Jahre geworden, ein Anlaß, daran zu erinnern, wie wir vor 40 Jahren mit dieser Arbeit begonnen haben und wo wir heute mit Gottes Hilfe sind. Anders als der Mensch hat muslimehelfen keine Eltern. Dennoch dürfen und wollen wir Allah danken und allen, die mitgeholfen haben, muslimehelfen das sein zu lassen, was es ist, den Spendern, Helfern, Partnern, Mitarbeitern und Mitgliedern, und Allah bitten, unsere Mängel und Fehler zu vergeben und weiterhin zu Allahs Wohlgefallen und zum Nutzen für die hilfsbedürftigen Menschen als Muslime Rechtschaffenes tun zu dürfen.